Ein Wasserfall mitten in Köln
Das Theaterprojekt AktiWirbar bringt Kindern das Thema Wasser näher
Was hat diese bunte Truppe bloß im Drogeriemarkt verloren? Zwei junge Frauen in ungewöhnlicher Aufmachung, selbst für Kölner Verhältnisse – karierter Mantel, knalliger Schotten-Schal, ein übergroßer Hut, eine Lupe als Accessoire –, im Schlepptau ein Tross Kinder. Würde man sie fragen, dann lautete ihre Antwort vermutlich: „Wir sind auf der Suche nach Wasser!“ Wenn Alexandra Heimberger und Nina Schlegelmilch als „Rita Hummel“ und „Frida Frisch“ die Stadt bespielen, um Kinder für das Thema Wasser zu begeistern, wird es schräg. Und sehr unterhaltsam.

Requisiten benötigen die beiden Kölner Schauspielerinnen kaum, sie sind für nahezu jeden Spielort bereit. Das Improvisieren liegt ihnen. So können sie nicht nur auf den jeweiligen Spielort und seine Besonderheiten eingehen, sondern auch auf ihre jungen Mitstreiter, ganz egal, ob diese drei oder zehn Jahre alt sind. AktiWirbar nennt sich das kleine Kollektiv. „Am Anfang stand der Gedanke: Wir möchten aktivieren. Wir wollten etwas speziell für Kinder machen, damit sie einen anderen Umgang mit Wasser erlernen.“
In ihrem interaktiven Theaterstück werden die Kinder zu Detektiven in einem „Wasserfall“: Es gilt, verschwundenes Wasser aufzuspüren und vorab so viel wie möglich über das begehrte Diebesgut zu erfahren. Wozu brauchen wir überhaupt Wasser? Wie wirkt sich Verschmutzung aus?
Mit dem Auftritt der Detektivin Rita Hummel nimmt das Stück seinen Lauf und mit Musik, die so verschmitzt ist wie sie selbst. Was dann folgt, ist eine kreative und kluge Melange aus Theater, Wissensvermittlung, Rollenspiel, Quizshow und Krimi. Später schleicht sich die undurchsichtige Oberdetektivin Frida Frisch ein. Auch die Polizei hat einen Gastauftritt. Die Kinder durchlaufen eine Detektiv-Ausbildung im Schnelldurchgang. Sechs Übungen absolvieren sie, alle Sinne kommen zum Einsatz.
Ungewöhnliche Ideen erleben oft ungewöhnliche Initialzündungen. „Wir spielten schon lange mit dem Gedanken, ein interaktives Kinderstück zu machen“, sagen Alexandra Heimberger und Nina Schlegelmilch. Beide hatten zuvor schon im Kölner Odysseum gearbeitet, und auch ihre Liebe zu pädagogischer Arbeit ist ihnen gemein. Den Ausschlag gab aber erst 2010 der Wettbewerb Ideen Initiative Zukunft, der von dm und der Deutschen UNESCO-Kommission ausgeschrieben wird. Ein Wettbewerb, bei dem alles ums Thema Nachhaltigkeit kreist: Die Initiative fördert Projekte, die ökologisch, kulturell und pädagogisch wertvoll sind. Die Premiere ihres Mitmach-Stücks fand also in einem dm-Markt statt. Aber das passte, denn „wir wollten auch Kinder erreichen, die sonst keinen Zugang zum Theater haben.“
Wasser als kostbares Diebesgut
Zwischen fünf und zehn Aufführungen im Jahr veranstaltet AktiWirbar
inzwischen. Schulen, Kindergärten, Wasserwerke buchen die
Schauspielerinnen. Am Weltkindertag waren sie unterwegs und beim
Ehrenfelder Straßenfest bespielten sie die Nachtigall. Wie viel nehmen
die Kinder tatsächlich mit aus einer Dreiviertelstunde interaktivem
Theater? „Sie denken dann darüber nach: Wo und wie wird Wasser
verschmutzt und worauf muss ich achten? Zum Schluss trinken wir
gemeinsam einen Schluck Wasser. Das ist auf einmal etwas Besonderes,
weil das Wasser vorher weg war.“ Das Stück zeige vielen Kindern zum
ersten Mal, dass Wasser nicht selbstverständlich ist – sondern sogar so
kostbar, dass es zum Diebesgut werden kann. Den Sinneswandel ihrer
Kinder bekommen die Eltern mitunter unmittelbar zu spüren. Zum Beispiel
dann, wenn ihr Spross überraschend keine Lust mehr auf ein
anschließendes Kinderschminken hat – weil es später noch ins Schwimmbad
geht. Da würde man ja dann das Wasser verschmutzen! Solche
Erfolgserlebnisse bestätigen die Schauspielerinnen. Nicht umsonst sind
Themen wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung in absehbarer Zeit
nicht von der bildungspolitischen Agenda wegzudenken. Das Projekt
AktiWirbar leistet seinen ganz eigenen Beitrag. Ergänzend zum
Mitmach-Theater bietet es mittlerweile auch Wasserworkshops an. Das
klingt ernst, ist aber nicht weniger spielerisch. Die Kinder nähern sich
dem Thema dabei in Experimenten und Versuchen. Sicher wissen die
wenigsten, dass sich Wasser hervorragend zum Verfassen von
Geheimbotschaften eignet. Auch die physikalischen Eigenschaften von
Wasser lassen sich am besten praktisch vermitteln. Um zum Beispiel ein
Gefühl für Wasserdruck zu bekommen, muss man nicht erst auf den nächsten
Schwimmbadbesuch warten.
Wie viel haben die beiden Frauen während
der Vorbereitungen selbst über Wasser dazugelernt? „Oh, das war
einiges!“, lachen sie. Und sie verraten: „Die Wissensbücher für Kinder
sind die einfachsten und die besten, selbst als Erwachsener kann man
viel lernen.“ Es lässt sich nun mal nicht leugnen: Auch Erwachsene
lieben Aha-Erlebnisse und anschauliche Lektionen. Immer wieder schauen
deshalb auch Eltern, Lehrer oder Erzieher während der Aufführungen zu.
Als nächstes plant AktiWirbar übrigens ein Stück rund um Energie – noch
so ein Thema, über das nicht nur Kinder einiges lernen können.