Low impact man
Das Leben eines Helden auf Sparflamme
Ist es möglich, im 21. Jahrhundert ein Leben zu führen, das die ökologischen Grenzen unseres Planeten nicht überschreitet? Im Mai 2008 beschließt der Belgier Steven Vromman seinen gewohnten Lebensstil über Bord zu werfen und macht sich auf die Suche nach einer Antwort.
Groß waren die Augen seiner Kinder, als er ihnen beim Mittagessen erzählte, dass sie von nun an für ein halbes Jahr auf ihre geliebten Fischstäbchen verzichten würden. Er wolle den so genannten ökologischen Fußabdruck verringern, erklärte er ihnen weiter – und um das zu schaffen, würden sie alles, was zu viel Energie verbraucht, aus ihrem Alltag streichen müssen. Schnell erkannten seine Kinder, dass Fischstäbchen gefroren sind und allein deshalb keine gute Energiebilanz aufweisen. Ein Energieschlucker nach dem anderen wurde so enttarnt und aus dem Haushalt verbannt.

Die Suche nach Alternativen gestaltete sich einfacher als gedacht. „Nachdem die Idee klar war, meine Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, war der Rest nur eine praktische Anpassung.“ Mit Hilfe des ökologischen Fußabdruckes erstellte Steven einen Plan, um in 30 Schritten zu einem viermal geringeren Energieverbrauch zu kommen als ein durchschnittlicher Haushalt.
Heute gehören Autofahren und Fliegen für ihn der Vergangenheit an. Er kauft keine neuen Sachen mehr und besorgt Kleidung in Second-Hand-Läden. Außerdem wäscht und duscht er sich mit Regenwasser. Mit einem umgebauten Fahrrad erzeugt er täglich eine halbe Stunde lang Energie, um den Akku seines Laptops zu laden.
„Essen nimmt 1/3 unseres ökologischen Fußabdruckes in Beschlag.“ Deshalb nimmt Steven das Essen von der Kochstelle, sobald es anfängt zu kochen und gart es in einem isolierten Behälter nach. So verbraucht er beim kochen 80% weniger Energie. Außerdem ernährt er sich vegetarisch und regional und baut sein eigenes Gemüse an.
Mit dieser Lebensweise hat der Low Impact Man – wie ihn die Medien mittlerweile nennen – sein Ziel erreicht. Er produziert weniger CO2, verbraucht weniger Energie und spart dabei auch eine Menge Geld. Zusammen mit nur einem Solarpanel machen ihn seine einfachen Maßnahmen komplett unabhängig von der konventionellen Energieversorgung.
Ich wollte meinen Kindern in die Augen gucken können
Diese konsequente Einstellung kam nicht von ungefähr. Seit seiner frühen Jugend interessierte sich Steven für Menschenrechte und Gerechtigkeit. Als er auf einer Reise nach Bolivien im Alter von 26 Jahren die ungerechte Verteilung von arm und reich in der Welt mit eigenen Augen sah, beschloss er, etwas dagegen zu tun. „Die Menschen dort waren nicht durch Zufall arm. Sie waren arm, weil wir reich waren. Es gab eine klare Verbindung“, sagt Steven über seine Erkenntnis.
Früher war er Direktor einer Nicht-Regierungs-Organisation (NGO). Er arbeitete viel, auch abends und am Wochenende. Er war gestresst. Ihm kamen Zweifel auf, ob es das war, was er immer wollte – obwohl es für eine wichtige Sache war. Er wurde sich mehr und mehr bewusst, dass sich die Art und Weise, wie er lebte, drastisch ändern müsste. Also beschloss er, ein halbes Sabbatjahr zu nehmen und zwei Ziele zu verfolgen: erstens seinen Lebensstil zu ändern, sich mehr Zeit für sich und seine Kinder zu nehmen und zweitens zu prüfen, ob es möglich wäre, ein gutes Leben zu führen und dabei die Ressourcen der Erde zu schonen. „Ich wollte meinen Kindern in Augen gucken können und wenigstens etwas getan haben, damit sie eine Zukunft haben.“

Dies bedeutete eine enorme Reduzierung seines ökologischen Fußabdruckes. Sein Plan war es, ein Jahr lang energiesparend und umweltbewusst zu leben und dann wieder in sein „normales“ Leben zurück zu kehren.
Nach einem Jahr stellte er jedoch fest, dass es nicht nur möglich war, diese Lebensweise beizubehalten, sondern, dass sie auch günstiger, gesünder und sozialer war. „Für mich sind das nun meine Gewohnheiten. Am Anfang muss man sich erst daran gewöhnen und sich dessen bewusst sein. Aber nach einer Weile tut man es automatisch.“
Auch das Verhältnis zu seinen Kindern wurde besser, weil er mehr Zeit zuhause verbrachte und auch „mehr Platz im Kopf“ für sie hatte. Seitdem fährt Steven mit seinem besonderen Lebensstil fort, genießt sein neues Leben sowie die gute Beziehung zu seinen Kindern. „Wir brauchen keine Angst zu haben, mit weniger materiellen Dingen und mit weniger Geld zu leben. Indem man einen Schritt zurück geht und sich Zeit zum Atmen nimmt, gewinnt man dabei so viele andere Dinge.“