Ein Geschenk an das Veedel
Marion Dickhoven im Interview
Weihnachten steht vor der Tür und somit die Zeit der Geschenke. Doch in Ehrenfeld gibt es mittlerweile einen Ort, an dem man das ganze Jahr über etwas verschenken oder sich beschenken lassen kann. Warum eigentlich neu kaufen, wenn jemand anderes genau das nicht mehr benötigt, wonach ich selber womöglich schon so lange suche?

Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen. Diesem Gegentrend zur Wegwerfkultur hat Marion Dickhoven eine Heimat gegeben. Seit mittlerweile 25 Jahren wohnt sie in der Körnerstraße mit Blick auf den Hochbunker. Dank ihr steht seit diesem Sommer eine aufwändig gestaltete Givebox neben den Blumen des Bunkergartens. Die Box ist eine wahre Bereicherung für das Veedel, weil sie vollkommen unkommerziell Nachbarn die Möglichkeit bietet, Dinge, die sie aussortiert haben, einem neuen, glücklichen Besitzer zuzuführen Wir haben die Frau hinter der Givebox getroffen und hatten in diesem Fall statt Gaben für die Box eine Handvoll Fragen im Gepäck.
Was hat Sie dazu bewegt, eine so schöne Givebox zu bauen und hier in der Körnerstraße aufzustellen? Die Idee hatte ich vor mittlerweile 2 ½ Jahren. Ich habe in der Süddeutschen Zeitung von einer Givebox in einer anderen Stadt gelesen. Da war ich sofort elektrisiert. Ich habe befreundeten Architekten davon erzählt und gefragt, ob sie mir einen Tipp geben können, wie man so etwas baut. Das sind Elke und Christian Schwab. Sie haben auf der Subbelrather Straße ihr Büro. Im Mai dieses Jahres kamen die beiden mit diesem wunderschönen Entwurf vorbei. Und dann haben Christian und mein Mann den Juni über die Box in unserem Garten gebaut. Das sind überwiegend ganz einfache Dachlatten. Mein Mann Friedel hat tagelang gestrichen. Es wurde jede Seite in einer anderen Farbe gestrichen. Deswegen hat der Pavillon auch verschiedene Farben, je nachdem, von welcher Seite man sich ihm nähert.
So wie die Geschenke auch immer aus zwei Perspektiven gesehen werden können, von der Geber- und der Nehmerseite.
Gute Sachen sind im Nu weg.
Wann wurde die Givebox schließlich in Betrieb genommen und wie ist seitdem die Resonanz darauf?
Am 20. Juli wurde sie beim Körnerstraßenfest vorgestellt. Im
Stadtanzeiger kam ein ganzseitiger Artikel darüber. In der Welt war
ebenfalls ein Artikel und es gab Beiträge auf Köln Campus und Funkhaus
Europa. Außerdem haben das viele in der Lokalzeit im WDR Fernsehen
gesehen. Daraufhin kamen auch Leute von der anderen Rheinseite, nur um
sich die Box anzusehen.
Die Givebox wurde von Anfang an genutzt und
zwar von allen. Da steht die medizinische Fachliteratur neben dem
Bastei-Lübbe-Buch. Das ist quasi ein Abbild der Ehrenfelder Bevölkerung.
Aber das mit den Büchern hat überhandgenommen. Wir hatten acht
Regalböden mit Büchern. Darum versuchen wir das jetzt auf zwei
Regalböden zu beschränken.
Gute Sachen sind im Nu weg. Wann immer
ich aus dem Fenster gucke, ist da etwas los. Mein Mann schließt morgens
spätestens um sieben Uhr auf und abends erst gegen neun Uhr wieder ab.
Mir
wurde erzählt, dass viele wieder aufräumen, wenn sie es unordentlich
vorfinden. Aber einmal die Woche muss ich großreinemachen. Denn
schließlich soll es nett aussehen, wenn man die Tür aufmacht.

Das
mit der Ordnung scheint leider ein Problem zu sein. Davon wissen auch
Dorothee Schade und ihre Tochter Marielena zu berichten. Die beiden
haben während des Interviews vorbeigeschaut und uns von ihren
Erlebnissen berichtet. Als Marion und Friedel Dickhoven fünf Wochen im
Urlaub waren, haben die Nachbarn die Givebox betreut.
An einem Tag
standen vor dem Bunker Altkleidersäcke und alte Koffer. Es war dann
später alles zerpflückt. Der Straßenkehrer hat das Ganze dann
netterweise am nächsten Tag entsorgt. Die Givebox ist natürlich nicht
als Gerümpel-Abladeplatz zu verstehen. Es geht darum, etwas zu
verschenken, was noch gut ist und wofür man lediglich selber keine
Verwendung mehr hat.
Außerdem erzählten sie uns, dass Marielena und
ihre Freundinnen, kurz nachdem die Givebox eröffnet wurde, Handzettel
gestaltet und als Werbung verteilt haben. Aber so oder so kann sich die
Box nicht über mangelnden Zulauf beklagen.
Die Sachen im Kreislauf zu halten und nicht wegzuwerfen.
Was uns zu unserer nächsten Frage an Frau Dickhoven bringt: Kommen Sie mit den Leuten, welche die Box nutzen, in Kontakt?
Können Sie uns vielleicht von Begegnungen erzählen, die sich besonders
bei Ihnen eingeprägt haben? Es entstehen viele nette Gespräche. Einmal
war eine Familie da und wir haben gemeinsam nach etwas für den kleinen
Jungen gesucht. Der Vater erzählte, dass sein Sohn sich schon ganz lange
ein Laufrad wünschte. Ich hatte noch ein schönes Rad. Und da bin ich in
den Keller gegangen und habe denen das geschenkt. Sie sind dann
glücklich von dannen gezogen.
Außerdem hat ein junger Mann aus der
Nachbarschaft einmal angeboten, einen Drucker, der in der Box stand,
zuhause auf seine Funktionalität zu überprüfen und diesen, falls er
kaputt ist, zu entsorgen. Das fand ich toll. Solche Leute wollte ich
generell mal ansprechen, ob sie mit ein Auge darauf haben können. Also
solche, die die Givebox gut finden und sich engagieren mögen. Damit
könnte man das auf mehrere Schultern verteilen und ich wäre nicht allein
dafür verantwortlich.
Eine weitere Idee war es, eine Pinnwand dort
anzubringen. Das habe ich mir als Umschlagplatz für Hilfesuchende
gedacht. Wenn z.B. eine Oma Hilfe beim Einkaufen braucht, weil sie nicht
mehr gehen kann, dann könnte sie über die Pinnwand jemanden suchen. Es
gibt viele Leute, die bereit sind zu helfen. Was es zu organisieren
gilt, ist das Zusammenkommen. Ich hab mal gehört, man kann auch im
Internet danach recherchieren, wo man helfen kann. Aber ich kenne viele
Leute, die würden helfen, aber nicht unbedingt im Internet danach
suchen. Wenn aber dort, wo man jeden Tag lang geht, eine Pinnwand hängt,
dann macht man das. Da braucht man sich vielleicht nur eine
Telefonnummer aufzuschreiben, anzurufen und seine Hilfe ganz konkret
anzubieten.
Geben oder nehmen.
Wie der Zufall es so will, plant der veedelfunker bei
der Givebox ein Veedelbrett als Kommunikationsplattform zu
installieren. (Näheres unter:
www.menschen-nebenan.de)
Dieser „Umschlagplatz für Hilfesuchende“ rückt also in greifbare Nähe.
Aber
nun wollen wir zunächst einen Blick in das goldene Gästebuch der Box
werfen, welche übrigens den klangvollen Namen geben und nehmen trägt.
Der Haupttenor ist dabei, dass es eine „super Idee“ ist. Des Weiteren
gibt es Kommentare wie „Das ist Menschlichkeit.“ oder „Ein wunderschöner
Neuzugang in Ehrenfeld. Endlich hat die Geschenketradition eine
Heimat.“ An anderer Stelle findet sich auch ein Vermerk von einem
sichtlich jüngeren Publikum: „Ich und meine Freundin Eva finden das hier
richtig geil. Echt geile Arbeit.“ Der Eintrag „Man kann hier super
stöbern. Ich schulde euch zwei Bücher.“ veranlasst Marion Dickhoven zu
der Überlegung, die Givebox vielleicht in geben oder nehmen umzutaufen.
Denn das Gästebuch offenbart, dass viele den Eindruck haben, sie müssten
etwas bringen, wenn sie etwas nehmen. Aber so ist das nicht gedacht. Es
ist völlig in Ordnung, zu nehmen ohne etwas zu geben.

Eine
Sache würden wir zum Abschluss allerdings gerne noch erfahren: Eingangs
erzählten Sie uns, dass Sie die Idee der Givebox sofort elektrisiert
hat. Was hat Sie an dem Givebox-Prinzip denn eigentlich so begeistert?
Mein
Mann sagt immer, ich schenke gerne. Für mich war jedoch dieser
Kreislauf wichtig, dass die Sachen, die noch gut sind, nicht weggeworfen
werden. In der Generation meiner Großeltern hat man sich einen
Wintermantel gekauft. Den hat man getragen, bis er auseinanderfiel. Das
gibt es heute nicht mehr. Heute wird modisch neu gekauft, immer und
immer wieder, auch wenn man das überhaupt nicht braucht.
Aber sich
von Ballast zu befreien, das macht natürlich auch den Kopf frei. Da
ändert sich eine Menge im Moment. Es ist z.B. nicht mehr so wichtig, ein
dickes Auto als Prestigeobjekt zu besitzen, viele leihen sich bei
Bedarf lieber eines. Und jeder hat einen Fernseher, eine Waschmaschine,
einen Eisschrank. Man kann nicht immerzu etwas Neues kaufen. Da ist,
glaube ich, mittlerweile ein Umdenken passiert.
Also, das war jedenfalls der Hauptgrund für die Givebox, die Sachen im Kreislauf zu halten und nicht wegzuwerfen.
Passend
zu Weihnachten haben die Dickhovens übrigens an dem Tag unseres
Interviews schöne Spielsachen in die Box gelegt, welche im Handumdrehen
weg waren. Weihnachtsdekoration wollten sie auch noch verschenken. Was
man aber bei einem Besuch der Box vorfindet, bestimmt der Zufall. Einen
Blick in die Givebox zu werfen, lohnt sich aber immer.
Wir danken Marion Dickhoven für das
spannende Gespräch und die interessanten Geschichten! Monika Hogrefe
Spielregeln für die Givebox:
Zu verschenkende Sachen müssen sauber, ordentlich und heil sein. Bitte nicht zu viele Bücher!
Größere
Teile bitte fotografieren und Foto mit Telefonnummer aufhängen.
Übrigens: Es können auch Wünsche geäußert werden – einfach einen Zettel
in der Givebox aufhängen!
Marion Dickhoven wurde vor 68 Jahren an
der Sieg geboren und ist in Porz aufgewachsen. Sie war 37 Jahre lang
Lehrerin für lernbehinderte Kinder.