Kompost 2.0
Anja Heppekausen im Interview
Anja Heppekausen ist seit einem Jahr stolze Besitzerin einer Wurmkiste. Eine solche Kiste bei sich aufzustellen, mag auf den ersten Blick für manche abwegig erscheinen. Doch unsere sympathische Interviewpartnerin gewährte uns aufschlussreiche Einsichten in diese Form der Müllreduzierung und räumte nebenbei restlos mit Vorbehalten auf. Wir laden Dich also ein, Dich ebenfalls von Wilma in der Wurmkiste überzeugen zu lassen.
Dies bringt uns auch gleich zur ersten Frage:
Wer ist Wilma?
Wilma ist ein Wurm und vor allen Dingen ein Projekt. Dieses ist entstanden, weil es wenig gute Infos über Wurmkisten gibt. Als ich in meiner Bürogemeinschaft, dem Colabor, auch eine Wurmkiste eingerichtet habe, habe ich in der Facebook-Gruppe geschrieben: „Die Wilma wohnt jetzt hier.“ Das sollte ein Scherz sein, ich habe dem Ganzen einfach einen Namen mit W gegeben. Aber damit war das Projekt geboren. Ich habe die Internetseite erstellt und fülle diese seit ein paar Monaten mit Infos zur Wurmkiste, Müllvermeidung und zum Gärtnern. Ich hoffe, dass andere etwas davon haben, wenn sie ähnliche Probleme oder Fragen rund um das Thema haben.
WIlma wohnt jetzt hier
Wo steht Deine Wurmkiste und wie funktioniert sie?
Bei mir steht sie auf dem Balkon. Grundsätzlich sollte sie dunkel, feucht und warm stehen. In Köln ist es kein Problem, die Kiste draußen zu haben. So wie ich es mache, kann es sich jeder in einer Stunde selber einrichten. Das ist ein Zwei-Kisten-System, also zwei Plastikkisten, die ineinander stehen. In die obere Kiste bohrt man ein paar Löcher in zehn Zentimetern Abstand. Dann wird sie mit Papierschnipseln ausgelegt. Darauf gibt man die Würmer, die man im optimalen Fall von jemandem bekommt, der eine Wurmkiste hat. Darüber kommt ein Deckel.

Die Würmer verarbeiten Küchenreste wie Obst und Gemüse zu Wurmhumus. In
der unteren Kiste setzt sich Wurmtee ab. Beides ist sehr guter Dünger.
Gekochtes, Milchprodukte und Zitrusfrüchte dürfen nicht hinein,
Eierschalen sind okay, aber das Ei selbst nicht. Solche Sachen können
nicht verwertet werden. Im Prinzip ist der Wurm ein Rohkostveganer.
Am
Anfang gibt man noch wenig hinein, vielleicht eine Handvoll alle paar
Tage. Nachher kann man den Biomüll komplett rein tun. Die Würmer müssen
sich erst einmal vermehren, sonst schaffen sie das nicht. Der Müll wird
dadurch stark reduziert. Unser Hausmüll ist immer so gut wie leer. Wenn
man zehn Liter Abfall hinein gibt, entsteht ein Liter Humus. Von einem
Zwei-Personen-Haushalt geht alles rein. Wenn man zu viert ist und sehr
viele Küchenreste produziert, sollte man sich eine größere Kiste
anschaffen.
Wie ist es mit der Geruchsbildung?
Im optimalen Fall gibt es keine. Wenn es funktioniert, ist es einfach und geruchlos. Wenn es riecht, dann stimmt etwas nicht. Das kommt durch Fäulnis. Das hatte ich im Hochsommer, da hatte ich auch Fliegenbesuch. Das soll natürlich nicht sein. Das kann dadurch entstehen, dass man die Flüssigkeit aus der unteren Kiste nicht wegnimmt, dann steht die obere Kiste in der Flüssigkeit. Das muss immer abtropfen können. Es kann auch sein, dass man zu viel rein gibt oder die Kiste luftdicht ist. Die guten Bakterien, also die Rotte-Bakterien brauchen Sauerstoff zur Kompostierung.
Wenn etwas fault oder schimmelt, sollte man diese Teile entfernen und überprüfen, ob man zu viel reingegeben hat oder ob Flüssigkeit darin steht. Vor allem kann es helfen, den Deckel offen zu lassen und mit Gummihandschuhen alles durchzumischen, damit Sauerstoff rankommt. Dann hat sich das Problem wieder erledigt. Wenn man ein Fliegenproblem hat, hilft es, eine Filzmatte darüber zu legen, das hält die Fliegen ab.
Die machen ihren Job – für uns
Was entgegnest Du Leuten, die mit dem Prinzip Wurmkiste „fremdeln“?
Die Würmer sind in einer Kiste und da ist ein Deckel drauf. Die Würmer fühlen sich, denke ich, auch sehr wohl, denn sie werden gut ernährt. Man muss da nicht mit den bloßen Händen drin rumwühlen, das ist auch gar nicht so gut. Die machen ihren Job – für uns. Es gibt nur Vorteile. Man muss die nicht außerhalb der Kiste bespaßen. Wenn die wirklich rauskommen wollten, hieße das wieder, mit dem Kompost stimmt etwas nicht.
Was machst Du mit dem Kompost, den Du so aus Deinem Biomüll gewinnst?
Den Humus kann man direkt in Blumentöpfe füllen oder im Garten verwenden. Der Wurmtee kommt im Eins-zu-Zehn-Verhältnis in die Gießkanne und wird verteilt. Ich habe neben der Wurmkiste ein großes Glas stehen und alle drei bis vier Wochen mache ich das voll. Ich hab auch letztens ein Glas verschenkt. Neuerdings bin ich beim Gartenbahnhof aktiv. Denen habe ich eine Portion Dünger vorbeigebracht.

Hast Du dich auch mit Alternativen zur Biomüllentsorgung beziehungsweise dessen Kompostierung beschäftigt?
Ja, Gartenkompost ist halt ein anderes Konzept. Das funktioniert anders. Es gibt die Biotonne, aber die kostet extra. Man kann etwas zu Urban Gardening-Projekten hinbringen. Aber das muss man im Vorfeld mit denen abklären, das kann man nicht einfach so machen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten, die jeder umsetzen kann, egal wo und wie er wohnt. Bei der Wurmkiste ist es schön, dass man aus dem normalen Abfallsystem etwas herausnimmt und selbst etwas daraus produziert. Man sieht, was aus diesem Müll wird. Dieser bekommt dadurch eine andere Wertigkeit. Im Colabor habe ich, wie gesagt, auch eine Kiste aufgestellt. Es ist toll, die Leute damit anzustecken. Alle sind ganz enthusiastisch dabei.
Du lebst hier sehr urban, woher kommt Deine Begeisterung fürs Gärtnern und die Natur? Kommt das auch daher, dass Du in einer ländlichen Umgebung aufgewachsen bist?
Genau. Ich war als Kind schon immer draußen und bin es auch jetzt gerne. Meine Eltern hatten einen großen Gemüsegarten. Da habe ich als Kind schon den Pflücksalat geerntet. Außerdem ist das ein Ausgleich zum sitzenden Computer-Job. Seit letztem Jahr machen wir bei Gartenglück mit. Die Wertschätzung für das, was man selber zieht, ist sehr hoch. Dort werden auf Feldern Bioland-Samen im Frühjahr für dich eingepflanzt und der ganze Rest ist dir selber überlassen. Das ist das Land, wo die wilden Würmer wohnen. Das sind klassische Regenwürmer, also Tauwürmer, die lockern den Boden nur auf. Kompostwürmer sind viel fleißiger. Die habe ich von jemandem, der auch eine Wurmkiste hat, bekommen. Man kann die aber auch im Internet bestellen. Es gibt Wurmfarmen, die extra Würmer züchten. Es müssen auf jeden Fall Kompostwürmer sein. Also nicht bei Regen losgehen und die Würmer von der Straße „retten“! Die werden nicht das Gleiche leisten wie Kompostwürmer.
Man sieht, was aus dem Müll wird
Was machst Du darüber hinaus noch, um die Müllproduktion zu reduzieren?
Ich gehe zum Beispiel einmal die Woche auf den Markt und habe dann immer Stofftaschen, Tüten und eine Eierpackung dabei. Ich versuche viel ohne Verpackung zu kaufen, aber das geht nicht immer. Fast jede Verpackung kann man nochmal wiederverwenden. Plastikschalen für Gemüse kann man zum Beispiel dafür nehmen, um Dinge in Schubladen zu sortieren. In Eisverpackungen kann man etwas einfrieren.
Ich bastle auch viel aus Sachen, die für andere Leute Müll sind. Man kann viel machen, wenn man sich von dem Gedanken löst, dass das Müll ist. Neulich habe ich aus Einwegstäbchen vom China-Restaurant eine Seifenschale gebastelt. Ich kaufe schon seit Jahren kein Geschenkpapier mehr, stattdessen benutze ich alte Zeitschriften dafür. Das kommt immer gut an. Aus Kork kann man viel machen, Stempel, eine Pinnwand oder auch Untersetzer.

Du baust auch selber Möbel. In Deinem Blog kann man einen schicken Tisch aus alten Weinkisten bewundern. Was hat es damit auf sich?
Upcycling-Projekte finde ich total spannend und es gibt viele gute Internetseiten zu dem Thema. Dieser Blogartikel zum Tisch kommt sehr gut an. Ich habe keine Anleitung dafür gemacht. Die muss ich noch nachreichen. Ich habe aber verlinkt, wo ich das selber gefunden habe. Das sind alte Kisten, die ich über Ebay bei einem Weingut bestellt habe. Die habe ich alle abgeschmirgelt, lackiert, auf eine Platte geschraubt und mit Rollen darunter versehen. So hat man Tisch und Regal in einem.
Gibt es noch etwas, was Du uns abschließend zum Thema Wurmkiste und Müllvermeidung mit auf den Weg geben möchtest?
Im April biete ich in Zusammenarbeit mit QuerWaldEin e.V. im Rahmen der Expedition Colonia einen Wurmkompost-Workshop an. Ich freue mich generell über jeden, der sich dafür interessiert und darüber mehr erfahren oder sich austauschen will!
Also, keine falsche Zurückhaltung und einfach auf www.wilma-wurmkiste.de stöbern und noch mehr zum Thema erfahren oder auch erfragen! Wir nehmen jedenfalls viele neue Ideen aus dem Gespräch mit und sehen unseren Hausmüll ab jetzt mit anderen Augen. Vielen Dank dafür!