Artikel

"Klick" gemacht

Ngea Huong im Interview

Vegane Ernährung, davon haben die meisten inzwischen zumindest schon mal gehört. Aber gleich ein ganzes Restaurant führen, das ausschließlich vegane Speisen anbietet? Ngea Huong hat sich das getraut – und ist damit erfolgreich. Im „MeiWok V“ essen längst nicht nur Veganer. Wir haben nachgefragt, wie sich Ngeas Leben nach ihrer Ernährungsumstellung vor zwei Jahren verändert hat.

Was ist für dich bewusste Ernährung? Bewusste Ernährung ist für mich, gezielt auf Fleisch und andere tierische Produkte wie Milch zu verzichten. Für mich geht es dabei um Ethik und darum, ein Zeichen gegen Massentierhaltung zu setzen.

Du bist also aus ethischen Gründen Veganerin. Ich bin von einem Tag auf den anderen vegan geworden. Das war im Oktober 2012, also gar nicht lange, bevor ich das „MeiWok V“ eröffnet habe. Vorher war ich mit einer Freundin in der Türkei, unter anderem auf einem Bauernhof, und hatte dort viel Kontakt zu Tieren. Als ich zurückkam, postete zufällig jemand ein Video auf Facebook: „Meet your meat“. Für mich hat danach vieles nicht mehr zusammengepasst. Man kann Tiere nicht lieben und sie gleichzeitig essen. Ich hatte damals selber einen Hund, und für mich gibt es da keinen Unterschied, ob man jetzt einen Hund oder eine Kuh oder ein Schwein isst. Der Unterschied zwischen Haustier und Nutztier ist uns schließlich nur anerzogen worden.

Das klingt nach einer abrupten Umstellung! Es hat sozusagen „Klick“ gemacht. Vorher bin ich der größte Fleischesser gewesen, habe von morgens bis abends Fleisch gegessen. Ganz schlimm! (lacht)

Fiel es Dir schwer, plötzlich darauf zu verzichten? Sehr schwer! Zuerst hab ich fast jeden Tag Pommes gegessen, weil man sich ja überhaupt nicht auskennt. In meinem Umfeld kannte so gut wie keiner veganes Essen. Alle waren dagegen, es war wie ein Schock. Da kommen dann die ganzen Argumente: „Du kannst ja gar nichts mehr essen, Du kannst nicht mehr mit uns ausgehen!“ Oder: „Das ist ungesund, das wird Dir nicht guttun, Du kapselst dich von der Gesellschaft ab“ …

Es ist alles eine Gewohnheitsumstellung

Wie bist Du mit den Reaktionen umgegangen? Das war ziemlich schwierig. Ich hatte mich vorher überhaupt nicht informiert, hatte nur ein Video gesehen und wollte danach keine tierischen Produkte mehr essen. Ich konnte mich nicht wehren. Es war ziemlich deprimierend, denn man ist ja überzeugt von etwas, will das durchziehen, aber es wird vom Umfeld nicht akzeptiert. Im Endeffekt habe ich mich erst im Nachhinein informiert und kann jetzt darauf reagieren. Es ist nicht bestätigt, dass Fleisch gesund ist – dafür aber, dass Milch dem Körper eher schadet als hilft.

Haben Deine Freunde ihre Meinung inzwischen geändert? Wir haben viel darüber geredet. Dadurch, dass ich ihnen sagte, aus welchen Gründen ich das mache, habe ich sie zum Nachdenken angeregt. Aber ich diskutiere das Thema ungerne. Das heißt: Ich mache das für mich und nicht für meine Freunde oder für mein Umfeld. Wenn jemand Fragen stellt, dann spreche ich natürlich darüber. Aber wenn man von sich aus etwas sagt, heißt es wieder, man wolle jemanden beeinflussen … (lacht)

So eine Ernährungsumstellung bleibt ja nicht ohne Folgen. Was hat sich körperlich bei Dir getan? Körperlich habe ich eine große Veränderung gespürt. Ich hatte früher viele Aggressionen in mir (lacht) – die sind weg! Auch die ganzen Allergien, die ich hatte, sind weg. Man könnte jetzt sagen, das ist ein Placebo-Effekt. Aber ich wusste es vorher nicht, ich habe mich erst im Nachhinein darüber informiert, wie es sein kann, dass meine Allergien plötzlich verschwunden sind: Milch ist häufig ein Allergieauslöser. Es hängt viel von der Ernährung ab! Ich fühle mich besser, fitter. Positiver auf jeden Fall.

Du bist, was Du isst? Definitiv. Die ganzen Tiere haben ja unglaublich viel Stress, Anstrengung, Lebensangst, Aggressionen. Ich bin der Meinung: Wenn man tierische Produkte isst, dann geht es einem auch nicht gut, es ist kein gutes Essen. Ich weiß auch nicht, ob ich so viel Energie in ein normales Restaurant gesteckt hätte. Denn so hat es für mich einen Sinn, nämlich eine Botschaft zu senden.
Du siehst dich in gewisser Weise auch als Vorreiterin einer Bewegung? Ich hoffe, dass ich das bin! Wir haben viele Gäste, die Fleischesser sind, und ich freue mich, wenn ihnen mein Essen schmeckt. Ich möchte zeigen, dass es auch ohne tierische Produkte geht. Ich mache hier alles selber, habe alle Rezepte umgeschrieben und die ganzen tierischen Lebensmittel ersetzt. Es ist alles nur eine Gewohnheitsumstellung. Deshalb scheint es am Anfang so schwierig, aber für mich ist das jetzt normal.

Ich weiß nicht, ob ich so viel Energie in ein normales Restaurant gesteckt hätte

Hattest Du anfangs keine Zweifel, ob das klappt, ein veganer Imbiss in Ehrenfeld? Doch, sicher. Aber ich bin das Risiko eingegangen und habe mir gesagt: entweder so oder gar nicht. Und ich habe immer gedacht: Es soll hier alles geben, was ich auch selber gerne esse; deswegen koche ich auch mit Bio-Obst und -Gemüse. Je mehr man sich über Lebensmittel informiert, desto mehr kommt man auf die Gesundheitsschiene.

Wie ist das mit Deinen Gästen: Kommen die zu Dir, weil sie sich vegan ernähren wollen? Ich habe draußen bewusst nicht „vegan“ dranstehen. Viele wissen es am Anfang nicht und probieren es einfach aus. Die meisten sind dann überrascht, dass es gut schmeckt – weil sie fest davon ausgingen, dass es nicht schmecken wird. Und sehr viele Gäste kommen danach wieder!

Sind einige Deiner Gäste auch wegen einer Nahrungsmittelallergie hier? Ja, es gibt hier viele Allergiker, zum Beispiel mit Gluten- oder Knoblauch-Unverträglichkeit. Die sind froh, dass sie bei mir akzeptiert werden. Viele erzählen, dass man sie in einem normalen Restaurant oder einem normalen Imbiss oft unfreundlich behandelt, ihre Allergie wird nicht anerkannt.

Deine Eltern hatten früher auch einen asiatischen Imbiss, Du hast die Speisekarte teilweise übernommen und „veganisiert“. Eignet sich die asiatische Küche besonders gut dazu? Da ich nur asiatisch koche, kann ich nur von der asiatischen Küche reden. Als Fleischesser hätte ich noch gesagt: Nein, auf gar keinen Fall! Aber jetzt sage ich: Das geht ganz einfach. Man kann viele Sachen ersetzen, neu erfinden oder ausprobieren. Ich denke, dass das in jeder Küche möglich ist.

Ist Veganismus für dich ein ganzheitliches Konzept, kleidest Du dich zum Beispiel auch vegan? Mittlerweile mache ich das. Aber ich mache es nicht, weil es unbedingt zum veganen Leben dazugehört – ich mache es, weil ich mich vor ein paar Monaten darüber informiert habe, woher die Kleidung kommt, wer sie herstellt. Ich trage mittlerweile nur noch Fairtrade- und Bio-Klamotten. Aber es ist mir wichtig zu betonen, dass ich das nicht tue, weil ein Veganer es tun muss, sondern weil ich davon überzeugt bin. Bei der Ernährung passierte es von einem Tag auf den anderen – bis dahin, wo ich jetzt lebe, waren es viele kleine Schritte. Ich habe mit der Ernährung angefangen und bin dann immer tiefer gegangen, mein Leben hat sich komplett geändert.

Ich möchte zeigen: Es geht auch ohne tierische Produkte

Sich um eine bewusste Ernährung bemühen, ohne 100%iger Veganer oder Vegetarier zu sein – was hältst Du davon? Ich finde das super! Ich freue mich ja schon, wenn jemand einmal zu uns kommt und sich einmal vegan ernährt und es toll findet. Es ist doch fast in jedem Bereich so: Ich gehe so tief rein, wie es mir selber guttut. Grundsätzlich lebe ich ja dieses vegane Leben für mich alleine, bin aber froh, dass ich durch meinen Imbiss auch Botschaften vermitteln kann.

Was müsste Deiner Meinung nach passieren, damit das Thema populärer wird? Durch die Medien würde das wahrscheinlich klappen, aber ich glaube, die spielen da nicht mit. Ich wäre schon froh darüber, wenn mehr vegane Restaurants aufmachen würden, das alleine brächte viele zum Nachdenken.

Glaubst Du denn, dass sich auf lange Sicht etwas ändern wird? Kürzlich war ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder auf einem Geburtstag, und ich traf dort jemanden, der vegan lebt, und einen anderen, der eine vegane Freundin hat. Und da ich jetzt viel in meinem Imbiss bin, spüre ich auf jeden Fall Veränderung. Ich denke, es findet wirklich ein Wandel statt.

Wir danken Ngea für das Gespräch und können jedem nur wärmstens ihren Raw Chocolate Cake empfehlen.

  • Text: Maren Lupberger
  • Foto: Bozica Babic