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Menschlich Handeln

Zufriedene Mitarbeiterinnen sind Chefsache

Ich möchte gerne mit dir Geschäfte machen. Aber dann musst du mir deine Waren zu einem höheren Preis verkaufen. Dafür musst du deine Produktionsbedingungen verändern und deine Werkstatt auf Fair Trade umstellen. Mit diesen Worten begann vor über 15 Jahren der Handel zwischen dem holländischen Fair Trade Importeur Madat Nepal und Keshar Prajapati, genannt „Sanu“, Inhaber der nepalesischen Fair Trade Werkstatt Chandra Handicraft.

Hemmy Clevis, Gründer und Vorsitzender der niederländischen NGO Madat Nepal wurde wegen der guten Qualität der Textilwaren auf die Werkstatt aufmerksam. Die NGO war unter anderem bereits im Gesundheits- und Bildungsbereich in Nepal aktiv – der Faire Handel mit Kunsthandwerk sollte Einnahmen für die Entwicklungsarbeit bescheren.
In Deutschland hat der Faire Handel nicht nur eine Handelsfunktion, sondern auch einen Bildungsauftrag, um auf schlechte Produktionsbedingungen aufmerksam zu machen und zugleich eine Alternative vorzustellen. Kann der Faire Handel auch in Produzentenländern wie Nepal eine Bildungsfunktion haben? Lernt man Sanu und seine Werkstatt kennen, gelangt man jedenfalls zu der Annahme. Der Bildungsansatz glückte vollends – Sanu stellte seine Werkstatt auf den Fairen Handel um, und vertritt diese Wirtschaftsweise nun mit voller Überzeugung.
Nepal ist das ärmste Land Südasiens, ein Drittel des Staatshaushaltes besteht aus Geldern der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Aufgrund der Stromknappheit wird Energie rationiert: nach einem ausgeklügelten Stundenplan sauber getaktet wird die Elektrizität in verschiedenen Stadtvierteln ab- und angeschaltet. Sanus Werkstatt liegt in der Kleinstadt Bhaktapur, nahe Katmandu. Bhaktapur ist eine Bilderbuchstadt – und Zeitreise. Der Stadtkern steht unter Denkmalschutz und ist autofrei – seit nach einem verheerenden Erdbeben 1988 die deutsche Entwicklungszusammenarbeit dies zu den Bedingungen für die Wiederaufbauhilfe machte.
In Sanus Werkstatt werden Textil- und Papierwaren hergestellt, Garne gefärbt, Tücher gewebt, Kleidungsstücke, Taschen und Kissen genäht, Pullover und Mützen gestrickt, Grußkärtchen und Notizbücher mit Siebdruck geschmückt. Hauptabnehmer der Waren sind SARI Fair Trade und Madat Nepal aus den Niederlanden, daneben auch kleinere Geschäfte aus Deutschland und der Schweiz und Souvenirläden aus Nepal.

DIE REISERNTE GEHT VOR

Als Fair Trade Werkstatt wird den MitarbeiterInnen, 15-20 Frauen und einem Mann, ein Lohn gezahlt, der den landesüblichen um ein vielfaches übersteigt. Es gibt geregelte Arbeitszeiten – sechs Tage die Woche von 10 bis 17 Uhr mit einer Mittagspause, Überstunden sind unüblich.
Die Werkstatt lebt von Sanus Herzlichkeit, es ist gemütlich, jeder, der sie betritt, fühlt sich wohl. Sitzbänke sind mit bunten Tüchern ausgelegt, an den Wänden hängen die Fair Trade Regeln in Nepali und Englisch, Fotos von der Werkstatt und Zeitungsausschnitte von Sanus Besuch bei den Partnern in den Niederlanden. Die Stimmung in der Werkstatt ist ihm sehr wichtig: „Wenn ich mit meinen Angestellten schimpfe, sind sie verärgert und die Arbeit gelingt nicht gut. Wenn ich nett zu ihnen bin, sind sie zufrieden und stellen auch schöne Produkte her.“
In einem traditionellen nepalesischen Familienbetrieb entspricht die Hierarchie vielleicht nicht den westlichen Vorstellungen von Gleichberechtigung: obwohl hier fast nur Frauen arbeiten, ist der Chef ein Mann. Doch es ist das persönliche Engagement von Sanu, das die sozialen Arbeitsbedingungen schafft. Bevorzugt gibt er Frauen aus schwierigen Verhältnissen Arbeit, zum Beispiel Witwen oder Frauen, deren Männer krank oder Alkoholiker sind. Dazu gehören auch zwei Frauen mit leichten Behinderungen, und Frauen, die mit 35 zum ersten Mail in ihrem Leben einer bezahlten Arbeit nachgehen. Frauen finden in Nepal generell nur schwierig eine Arbeitsstelle. Auch die fehlende betriebliche Krankenversicherung wird durch das persönliche Engagement ersetzt: Wenn eine MitarbeiterIn erkrankt, wird von Fall zu Fall überlegt, wie der Betrieb sie finanziell unterstützen kann.
Die Liefertermine für die Produkte nach Europa stehen nicht über den Dringlichkeiten des nepalesischen Alltags: Freie Tage werden nach persönlicher Absprache gegeben. Wenn die Reisernte ansteht, finden sich deutlich weniger Frauen in der Werkstatt ein. Viele Frauen bewirtschaften Felder für den Eigenbedarf. Auch wenn gerade ein wichtiger Liefertermin ansteht – die Reisernte geht vor.
Die niederländischen Geschäftspartner kommen zwei Mal im Jahr zu Besuch, um Sanu mit Beratung und Schulungen für die MitarbeiterInnen zu unterstützen. Mit Investitionen in die Werkstatt verbessern sie die Gestaltung der Arbeitsplätze.
Seinen Verdienst steckt Sanu vor allem in die Schulbildung seiner vier Kinder. Die älteste Tochter hat gerade ihr Medizinstudium beendet, die zweitälteste ihr Sozialarbeitsstudium.
Durch gerechte Arbeitsbedingungen Unterstützung und langfristige Geschäftskunden aus Europa zu gewinnen – für Sanu ist dies ein Erfolgserlebnis, und für andere Werkstätten in Bhaktapur vielleicht eine Inspiration.

  • Text: Tatjana Krischik