Im Interview

FAIRkaufen in der Nachbarschaft

Ali Meschkinfam im Interview

Wer im Veedel fair einkaufen möchte, muss sich nicht groß umschauen, denn auf der Subbelrather Straße gibt es dafür DOKAN. Dort bietet Ali Meschkinfam neben Schreibwaren ein umfangreiches Sortiment an Produkten aus dem Fairen Handel an. Wir wollten mehr über den Ladeninhaber und seine Motivation für dieses spannende Konzept erfahren und baten zum Gespräch.

Wie kamen Sie auf die Idee, Schreibwarenbedarf und Produkte aus dem fairen Handel nebeneinander anzubieten? Wir haben unseren Tee aus dem Fairen Handel immer im Supermarkt gekauft. Da habe ich mich gefragt, wie man diese Produkte mehr Menschen zugänglich machen kann. Im Supermarkt sind sie nur ein Produktsegment neben vielen. Ich habe mir überlegt, dass Schulkinder die zukünftigen Käufer sind und dass es leichter für sie ist als für Erwachsene, wenn sie auf diese Art mit solchen Produkten in Berührung kommen. Durch die Kinder sind auch viele Eltern hier reingekommen, die den Laden sonst wahrscheinlich nie betreten hätten.

Das Sortiment ist hier sehr umfangreich und vielseitig, wie kommt das? Ich recherchiere viel und bin ständig auf der Suche nach neuen Produkten. Die zu finden ist im Fairen Handel schwieriger als im konventionellen Handel. Denn es gibt nicht immer ständig wechselnde Sortimente. Aber wenn ich Produkte finde, von denen ich denke, es besteht dafür eine Nachfrage, dann handele ich sofort. Und deshalb sind hier viele Produkte von Importeuren aus Holland und England, aber auch aus Österreich und der Schweiz.
In England und Holland sind die Fairen-Handel-Importeure weiter als in Deutschland. Sie sind offener für neue Produkte. Es arbeiten auch viele junge Designer in Holland und England mit Fairhandels-Firmen zusammen.

Erzählen Ihnen die Kunden, die bei Ihnen faire Produkte kaufen, von Ihren Beweggründen? Was ist ihre Motivation dafür? Ja, ich bekomme von einigen mit, dass sie helfen möchten oder aus einem sozialen oder politischen Hintergrund heraus handeln. Sie wollen, dass die Menschen für ihre Arbeit einen besseren Lohn erhalten. Sie haben einfach den Anspruch, den fairen Handel zu unterstützen.

Ist fair gleich fair? Bei den verschiedenen Siegeln gibt es sicherlich auch Qualitätsunterschiede. Wie wählen Sie aus, was in das Sortiment aufgenommen wird? Bei diesem Dschungel von Siegeln bin ich persönlich vorsichtig. Ich versuche Produkte auszuwählen, die nicht nur das transfair-Siegel, sondern auch andere Siegel haben. Für mich ist es wichtig zu wissen, woher das Produkt kommt und wie viele Siegel es hat. Produkte wie Tee oder Kaffee biete ich hauptsächlich von GEPA, dwp oder El Puente an. Das sind Firmen, denen man vertrauen kann, durch ihre lange Geschichte und weil sie ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen beziehungsweise Vereine sind. Diese Firmen geben ihre Jahresberichte heraus, sie legen dar, wie viel Umsatz sie erwirtschaftet haben und wie das Geld verteilt wird.

Es nimmt leider zu, dass etwas als fair bezeichnet wird, was es aber nicht ist. Bei mir fragen auch Firmen an, ob ich Ihre fairen Produkte verkaufen möchte. Dann sage ich, dass ich in ein paar Tagen zurückrufe und erkundige mich zum Beispiel beim Weltladen-Dachverband, ob sie die Firmen kennen. Oft wird mir geraten, die Finger davon zu lassen. Ich biete nur Produkte an, hinter denen ich auch stehen kann.

ICH BIETE NUR PRODUKTE AN, HINTER DENEN ICH AUCH STEHEN KANN.

Welchen Stellenwert hat der Faire Handel für Sie persönlich? Als Jugendlicher habe ich in meinem Heimatland Iran die schlimme Seite des Welthandels erlebt. Bei uns hatte zum Beispiel der Reisanbau eine lange Tradition. Dann haben ausländische Firmen Reis importiert und über mehrere Jahre lang den regionalen Preis unterboten. Da somit der finanzielle Ertrag für unsere Bauern zu gering wurde, um davon noch leben zu können, hörten sie mit dem Reisanbau auf. Sie gingen in die Städte. Nachdem fast alle Bauern am Boden waren, stiegen die Reispreise dieser Firmen. Das war die Strategie vieler internationaler Konzerne, um die Konkurrenz zu verdrängen. Dadurch wurden nicht nur viele Bauern arbeitslos, sondern das Land konnte sich nicht mehr selbst ernähren. Somit wurde eine Abhängigkeit geschaffen. Für mich ist das die falsche Politik. Kurzfristig machen die großen Konzerne viel Gewinn. Langfristig schadet das aber der gesamten Weltwirtschaft. Ich denke, wenn die Menschen in solchen Ländern mehr Kaufkraft hätten, bräuchten sie mehr Produkte, die sie nicht selber produzieren können. Diese würden sie dann aus dem Westen beziehen. Dadurch würde die Wirtschaft hier noch einmal Schwung bekommen. Die Konzerne wollen das aber nicht. Entweder können sie das nicht sehen oder sie denken nur an ihren kurzfristigen Gewinn.
Wenn ich nun für ein paar 1000 Euro Kaffee oder T-Shirts verkaufe, können mindestens zehn bis zwanzig Familien in diesen Ländern normal leben. Das war auch eine Motivation für den Laden. Das ist nicht nur reine Ware für mich, sondern es steckt auch etwas dahinter.

SOZIALE KONTAKTE EXISTIEREN BEIM ONLINEHANDEL NICHT.

Das ist ein schöner Gedanke, dass der eigene Konsum einen Nutzen für andere haben kann. Viele Menschen denken jedoch, dass Produkte aus dem fairen Handel zu teuer sind. Wie stehen Sie dazu? Wenn Menschen sagen, dass Produkte aus fairem Handel zu teuer sind, dann stimmt das nur, wenn man die Preise mit Discounterpreisen vergleicht. Man kann diese Produkte aber nicht mit den Discounterprodukten vergleichen. Sie sind hochwertiger. Wenn man vergleichen möchte, dann muss man das mit Produkten von gleicher Qualität machen. Dann ist Fair Trade nicht teurer.
Manche Menschen haben auch Scheu, hier reinzukommen, weil sie denken, dass faire Produkte zu teuer sind. Und dann stellen sie fest, dass es gar nicht so teuer ist, wie sie dachten.

WENN ES MENSCHLICH IST, PROFITIEREN ALLE DAVON.

Das Konsumverhalten hat sich generell gewandelt, es wird auch immer mehr online gekauft. Wo sehen Sie die Vorteile des Einzelhandels vor Ort gegenüber dem Online-Anbieter? Da ist vor allem das menschliche Miteinander. Manche Eltern schicken ihre Kinder mit einem Einkaufsbeutel und einem Zettel zu mir. Die Kinder lesen die Liste vor, ich packe die Sachen in ihren Beutel, sie bezahlen und gehen nach Hause. Soziale Kontakte existieren beim Onlinehandel nicht. Es ist meiner Meinung nach auf lange Sicht gut, wenn unsere Kinder Läden vor Ort nutzen können. Wenn sie nicht diese Möglichkeit haben, fehlen diese Kontakte.
Wenn meine Frau und ich durch die Landmannstraße gehen, dann schauen wir in die Schaufenster, was es Neues gibt. Wenn es die Geschäfte nicht mehr geben würde, würde uns etwas fehlen. Sie gehören doch zur Lebensqualität im Veedel dazu.

Ist nicht auch vieles nur auf den ersten Blick günstig, geht aber womöglich auf Kosten der Umwelt oder der Mitarbeiter, die für Niedriglöhne arbeiten? Ja, die Fahrer, welche die ganzen Bestellungen ausliefern, verdienen unter Umständen so wenig, dass sie vom Sozialamt etwas dazu bekommen. Nach ein paar Jahren machen dann die Schultern nicht mehr mit. Solche Menschen werden möglicherweise nicht nur krank, sondern auch arbeitsunfähig. Im Grunde bezahlen wir das dann mit unseren Sozialabgaben. Außerdem gehen die Straßen durch die vielen Lastwagen kaputt, das sind ebenfalls Kosten, die auf uns zurückfallen. Zu guter Letzt wird durch den Transport auch mehr CO2 produziert. Und das alles für ein paar Euro Ersparnis gegenüber einem Einkauf in der Landmannstraße oder in der Stadt.
Wie sieht für Sie nachhaltiger Konsum aus? Für mich bedeutet es, das große Ganze im Blick und ein Bewusstsein für die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, zu haben. Das heißt für mich, dass man mit sich, seinem Leben und den Produkten, die man benutzt, bewusst umgeht. Es bedeutet, dass man, wenn man etwas kauft, auch bedenkt, ob das umweltschädlich ist und ob die Arbeiter, die es produzieren, normal leben können. Es beinhaltet für mich, dass man sich Gedanken darüber macht, wie dieses Produkt überhaupt entstanden ist. Es ist für mich ein Kreis. Wenn dieser Kreis für mich nicht menschlich ist, dann ist es auch nicht nachhaltig. Dann ist es Gift für mich, die Gesellschaft und die Natur. Wenn es menschlich ist, profitieren alle davon, die Menschen und die Natur.

Wir danken Ali Meschkinfam für das Gespräch und die interessante Einblicke in die Welt des Fairen Handels.

  • Text: Monika Hogrefe