Lokal

Ein ideales Kaufhaus

Das Basislager betreibt Einzelhandel der besonderen Art

In der Silcherstraße sind die Alpen plötzlich ganz nah – denn hier hat das Basislager seine Zelte aufgeschlagen. Was im Gebirge als Talstützpunkt bezeichnet wird, von dem aus die nächste Etappe genommen wird, ist hier ebenfalls Zeichen für einen neuen Abschnitt: Der gemeinnützige Verein Bürger für Obdachlose e.V. bietet ehemals langzeitarbeitslosen, suchtkranken, obdachlosen oder aus der Haft entlassenen Menschen die Chance für einen Neustart in ihrem Leben, und zwar mit einer handfesten Geschäftsidee.

Beim Betreten der großen Halle fallen als erstes die vielen gut erhaltenen Polstergarnituren, Schränke, Tische und Stühle auf. Begibt man sich dann auf Entdeckungstour bemerkt man schnell, wie aufgeräumt und gut sortiert alles ist. Wie für ein Kaufhaus üblich, sind hier die Waren nach Produktgruppen geordnet. Jeder Winkel ist akkurat mit dem jeweiligen Sortiment bestückt. Das pralle Angebot an Hausrat jeglicher Art reicht bis hin zu wahren Second-Hand-Schätzen, raren Einzelstücken und Klamotten im Retro-Chic. Auf einer Verkaufsfläche von über 500 Quadratmetern bekommt man im Basislager von der Kaffeetasse bis zur Waschmaschine nahezu alles, was man im alltäglichen Leben benötigt.
An der Kasse angelangt, überrascht im ersten Augenblick der günstige Preis. Natalie Krybus, die beim Verein für soziale Beratung der MitarbeiterInnen sowie Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising angestellt ist, erläutert die Philosophie des Basislagers und erklärt, dass hier Teilhabe in jeder Beziehung groß geschrieben wird. Die Preise sind so angesetzt, dass insbesondere einkommensschwache Kundinnen und Kunden ihren Bedarf des täglichen Lebens decken können. Im Basislager kaufen tatsächlich alle Einkommensschichten ein. Dies wird von dem Verein als Erfolg verbucht. Alle haben dasselbe Ziel: sie benötigen Besteck, den warmen Wintermantel und vielleicht auch etwas Deko für die vier Wände. Doch die Ausgangslage ist unterschiedlich: Jemand mit wenig finanziellem Spielraum ist dankbar für die niedrigen Preise und kann so aus dem reichhaltigen Sortiment schöpfen. KundInnen, die etwas mehr Geld zur Verfügung haben, scheinen sich darüber zu freuen, dass sie mit ihrem Einkauf ein soziales Projekt unterstützen und zahlen gern auch einmal etwas mehr. Vielleicht stellen sie sich auch vor ihrem Besuch im Basislager die Frage, was sie für ein bestimmtes Produkt ausgeben möchten. Auf alle Fälle scheinen sie für sich beantwortet zu haben, dass auch ein Tisch mit Gebrauchsspuren wertvoll ist.

Aus dem reichhaltigen Sortiment schöpfen.

Denn gerade umweltbewusste VerbraucherInnen schätzen den Recyclingaspekt, der bei allen Produkten des Basislagers im Mittelpunkt steht. So nimmt der Verein seine verantwortungsvolle Aufgabe nicht nur gegenüber einzelnen Menschen, sondern auch der Umwelt gegenüber wahr. Monatlich gehen laut Angabe des Projektleiters Jörg Broux gut sechs Tonnen Bekleidung und acht bis neun Tonnen Trödel und Möbel durch den Laden. Wenn man bedenkt, dass all diese Dinge für den Kreislauf der Ressourcen verlorengingen, ist auch dieser Part der engagierten Vereinsarbeit überaus wichtig.
Neben dem ökologischen Aspekt der Weiterverwertung von gespendeten Möbeln, Geschirr und Bekleidung ist der BfO eine wahre Fundgrube bürgerschaftlichen Engagements. Seit der Gründung des Vereins 1994 ist das Angebot für Menschen in extremen Lebenslagen vielfältig erweitert worden, erklärt Natalie Krybus. Besonders die Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht dauerhafte gesellschaftliche Teilhabe.
Ziel des Projektes ist unter anderem, Langzeitarbeitslosen und anderen Menschen mit im Fachjargon sogenannten „Vermittlungshemmnissen“ eine angemessene Beschäftigung zu geben und ihnen so den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dazu werden die MitarbeiterInnen in verschiedenen Berufsfeldern wie Lagerhaltung, Verkauf, Logistik und Recycling auf betriebliche Anforderungen vorbereitet.
Im Gebirge ist besonders die Gemeinschaft unter den Wanderern gefragt – gegenseitiges Vertrauen ist oberstes Gebot und gemeinsam kommt man sicherer ans Ziel. So sind auch im Basislager Hilfe, Vertrauen, Verständnis und Respekt Werte, die groß geschrieben werden. Eine langjährige Mitarbeiterin beschreibt sehr anschaulich, was ihr Arbeitsplatz für sie bedeutet: „Jeder Mensch bringt seine Vergangenheit, sein Leben in den Arbeitsalltag. Man lacht zusammen und weint zusammen, man entwickelt sich gemeinsam. Jede Emotion, jeder Konflikt hat bei uns seine Berechtigung und seinen Raum, doch genau das schweißt zusammen – wie eine Familie – und belebt das tägliche Miteinander.“ So versteht sich der Verein Bürger für Obdachlose e.V. mit seinem Arbeitsprojekt Basislager auch als ein soziales Unternehmen, das mit Engagement und Herz gegen Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung sozial-ökonomisch vorgeht.

  • Text: Dunja Karabaic