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Im Alter mobil im Veedel

Ehrenfeld ist immer in Bewegung – das gilt auch für die Senioren im Viertel!

Ehrenfeld gilt oft als junger Stadtteil, als Ort für Studenten und junge Familien. Aber wer sich umschaut, sieht erstaunlich viele ältere Leute auf der Straße. Menschen, die teilweise schon seit Jahrzehnten im Veedel, oft in der gleichen Wohnung leben.

Und gerade ältere Menschen haben oft eine sehr emotionale Bindung an den Stadtteil. An die Straßen, in denen ihre Kinder aufgewachsen sind, an die Straße, in der sie jahrzehntelang mit ihrem Partner gewohnt haben. Und an die Geschäfte, in denen sie ihre Besorgungen erledigen.

Das hat zumindest Anna Eggeling beobachtet, die bei der Caritas das Projekt mit dem Titel “Seniorenfreundliches Quartier” leitet. In Kooperation mit der Initiative Kölsch Hätz suchen sie alte Menschen, die die zahlreichen bestehenden Hilfsangebote im Stadtteil nicht kennen - und daher auch nicht wahrnehmen können. Das ist keine einfache Aufgabe, da es sich insbesondere um Menschen handelt, die zurückgezogen und teilweise ohne Familie, Freundes- oder Bekanntenkreis leben. Nicht, weil sie immer so waren, betont Anna Eggeling: “Bei manchen sind Hobbys und Freundeskreise über die Zeit weggebrochen. Sich neue Bezüge zu suchen ist anstrengend, viele haben da Angst vor”.

Was das mit Mobilität zu tun hat? Ganz einfach: Wer sich nicht mehr im Stadtviertel bewegt, der verliert oft auch seine sozialen Kontakte.

Dabei beginnt Mobilität von älteren Menschen schon in der Wohnung. Viele wohnen seit Jahrzehnten in der gleichen Wohnung. Der fehlende Aufzug, die Treppe runter zur Straße wird dabei erst im Alter zum Problem. Auch ein Umzug ist für alte Menschen oft keine Option. Zu vertraut ist die eigene Wohnung und zu eng die Verwurzelung im Veedel. Auch wäre eine vergleichbare Wohnung nach heutigen Mieten im Veedel deutlich teurer – und oft unbezahlbar.

Zurück ins Veedel locken

Doch auch, wie Straßen und Geschäfte gestaltet sind, beeinflusst die Mobilität. Nicht abgesenkte Bordsteine lassen sich nur schwer mit dem Rollator überwinden. Es fehlen Bänke im Viertel, auf die alte Menschen für Pausen auf längeren Strecken angewiesen sind (auch wenn Geschäftsleute oft Sitzgelegenheiten bieten). Fehlende Zebrastreifen machen es schwierig, Straßen wie die Venloer oder die Subbelrather Straße zu kreuzen.

Eine besondere Herausforderung sind zudem Toiletten. Viele Menschen sind im Alter langsamer unterwegs – und müssen öfter auf Toilette. Viele planen daher ihre Einkaufsrouten sogar nach der Verfügbarkeit von Toiletten auf dem Weg oder in den Geschäften.

Doch die letzte, und vielleicht schwierigste, Barriere für Mobilität im Alter ist im Kopf. Viele ältere Menschen nehmen Angebote im Viertel nicht wahr, weil sie sie nicht kennen – oder nicht alleine das erste Mal dort hingehen wollen. Das kann man auch als junger Mensch nachvollziehen, und im Alter wird dies nochmals schwieriger.

Hier setzt das Projekt der Caritas an. Ehrenamtliche „Lotsen“ sollen alte Menschen aufspüren, die keine Kontakte mehr im Viertel haben. Und sie wieder aus der Wohnung raus und zurück ins Veedel locken. Dabei soll Schritt für Schritt herausgefunden werden, was funktioniert und was nicht.

Trotz aller Barrieren wundert sich Anna Eggeling manchmal, wie viele Senioren sie auch auf lauten und belebten Hauptstraßen wie der
Venloer Straße sieht. Senioren, die dort in aller Ruhe ihre Besorgungen erledigen. Aber durchaus auch andere Menschen treffen. Beliebt als Treffpunkt für ältere Menschen sind dabei nicht die kleinen Cafés, sondern ausgerechnet die Bäckerfilialen.

Vielleicht hält das Leben auf der Straße jung? Wer seid Jahrzehnten über die Venloer läuft, hat sich an die bunte Vielfalt und den Trubel gewöhnt - und wenig Angst vor dem Neuen. Unsicher fühlen sich die wenigsten.

Und wer weiß, vielleicht sieht man auf den alternativen Ehrenfelder Straßenfesten und in den Yoga-Studios demnächst auch ein paar Alt-Ehrenfelder Senioren? Zu wünschen wäre es allen Seiten.

  • Text: Martin Herrndorf
  • Foto: Caritas